
Die Jugend von heute
15. Mai 2024
Führung, Dominanz und Mobbing- Teil II: Selbstschutz muss sein!
24. Juni 2024von Helena Daudrich
Inhaltsverzeichnis
Dominanz ist keine Führung
Dominanz ist keine Führung und das scheinen viele nicht zu wissen. Während meiner Berufslaufbahn habe ich auf unterschiedliche Weisen Führung kennengelernt. Ich wurde geführt, habe selber geführt und bin unterschiedlichen Führungskräften im Coaching begegnet. Dabei kam ich nicht umher, auch mit Dominanz Bekanntschaft zu schließen. Es ist mir ein Anliegen, in diesem Artikel die Unterschiede von Führung und Dominanz, inklusive ihrer Ausprägungsform -Mobbing- zu beleuchten und dem Leser im Folgeartikel Impulse für einen Umgang damit zu geben. Da wir weder Führung noch Dominanz nach Feierabend hinter uns lassen, sondern uns diese auch im Alltag begegnen, lade ich Sie dazu ein, den Inhalt auch auf Alltagssituationen anzuwenden.
Führung versus Dominanz
„Führen Sie schon oder dominieren Sie noch?“ Aus dieser Frage wird klar: Führung ist nicht mit Dominanz gleichzusetzen. Führung ist eine höhere und erstrebenswertere Fähigkeit. Während Führung aus einer Charakterstärke aufkeimt, tut dies die Dominanz meist aus Charakterschwäche und Unsicherheit.

Dominanz versus Führung-Helena Daudrich-Soulfit-Factory.org-pixabay-Eyanerick
Doch viele vermischen diese Fähigkeiten, wenn etwa von dominanten Führungskräften die Rede ist. Der eigene Chef, der keine Widerreden duldet und Diskussionen im Keim erstickt. Oder der Bulldozer ähnliche Abteilungsleiterkollege, der in Meetings drauf aus zu sein scheint, jede Ecke zu markieren.
Dominanz falls nötig
Selbstverständlich kann auch eine Führungskraft, falls erforderlich, dominant auftreten. Dieses Verhalten stellt allerdings eine Ausnahme und nicht etwa die Regel da. Wer per sé dominiert, führt nicht! Dominanzgehabe ist keiner echten Führungskraft würdig. Daher kann auch nicht etwa ein Posten jemanden zur Führungskraft machen, vielmehr ist es eine persönliche Qualifikation, die erreicht werden kann.
Führungskompetenz als Tugend
Führungskompetenz lässt sich nicht erlernen oder durch ein Zertifikat belegen. Sie lässt sich aber sehr wohl aus einem vorhandenen Potenzial heraus entwickeln. Über Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung werden Führungskräfte „geschliffen“. Doch was zeichnet sie aus?
Zum einen sind es bestimmte Charakteristika, die eine Führungspersönlichkeit ausmachen. Sie strahlt Kompetenz und Autorität aus, ohne autoritär zu sein, inspiriert Menschen, wodurch ihr andere folgen wollen und wirkt besonnen und selbstbeherrscht. Sie hat nicht unbedingt die Antworten auf alle Fragen, doch ebnet sie den Weg für andere über Selbsterkenntnis und Eigenreflexion. Verantwortungsübernahme und bewusstes Handeln sind für sie selbstverständlich.
Weitsicht und Ziele

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Zum anderen zeichnet eine Führungskraft ihre Weiltsichtigkeit aus. Sie muss Ziele haben, um zu wissen, wohin sie führen will. Dabei hat sie das Gesamtwohl einer Gruppe, eines Unternehmens oder einen höheren Zweck im Blick und übernimmt die entsprechende Verantwortung. Dafür setzt sie sich mit ihrer (Lebens-) Vision auseinander, respektive zusätzlich mit der des Unternehmens. Die Vision dient Ihr als Orientierung und zur Entwicklung von Strategien. Auf solche Weise abgeleitete Ziele und Maßnahmen wirken authentisch und sinnstiftend, denn sie dienen einem höheren Zweck. Das macht es für andere (zum Beispiel Mitarbeiter) leichter, sich mit diesen Zielen zu identifizieren und für deren Erfolg einzustehen.
Hans Dampf in allen Gassen?
Entgegen mancher Meinungen muss eine Führungskraft nicht der Experte auf allen Gebieten sein. Sie führt innerhalb ihrer Kompetenz und ihres Könnens. Wenn die Situation es erfordert, hat sie die richtige Selbsteinschätzung und Größe, die Führung auch mal an andere abzugeben oder zu delegieren. Auch liebäugelt sie nicht mit dem Titel eines Publikumslieblings, da es nicht ihr Fokus ist. Falls es die Umstände erfordern, kann sie auch unbeliebte Entscheidungen treffen oder ein Machtwort sprechen.
Vormachtstellung durch Dominanz

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Wenn sich jemand, wie ein tollwütiger Elefant im Porzellanladen verhält oder um sich schlägt, führt er nicht, er dominiert. Er erpresst das gewünschte Verhalten durch Angstmacherei, Demütigung oder Bestrafung. Er treibt die Menschen vor sich her, anstatt dass sie ihm aus freien Stücken folgen. Ein solches Verhalten ist meist vom Weiten sichtbar und geht nicht selten mit einer Showeinlage oder entsprechendem Ruf einher. Solche Menschen dulden in der Regel keine Rivalen oder Kompetenz um sich. Die Vormachtstellung will um jeden Preis sichergestellt werden, auch wenn es nicht das eigene Terrain ist. Dies endet nur allzu häufig im exorbitanten Dominanzverhalten und autoritärer Machtgier.
Höhere Ziele
Hat eine Führungskraft ein höheres Ziel im Sinne, so handelt eine dominante Persönlichkeit eher aus niederen, egozentrischen Gründen. Macht, Geltungsdrang, Status aber auch die eigene Unsicherheit oder Angst (auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheint) könnten hier die Quelle sein. Jemanden seinem Willen zu unterwerfen wird über jegliche Sinnhaftigkeit erhoben. Entsprechend suchen Sie an dieser Stelle vergebens nach Einfühlungsvermögen oder Empathie. Für solche dominanten Menschen spielt nur die Zielerreichung als solche eine Rolle. Ob jemand dabei zu Schaden kommt oder gar umkommt, nehmen sie billigend in Kauf. Das Ziel heiligt für sie traurigerweise die Mittel.
Dominanz und Druckmittel
Doch Dominanz braucht insbesondere eines: ein Druckmittel (höhere Stellung, familiäre Verbundenheit, physische Überlegenheit, Angst vor Konflikten u.v.m.) gegen potenzielle Opfer. Auch wenn es ihnen anfangs ein Machtgefühl verleiht, ist es lediglich eine ausgeliehene Macht und gleichsam ihr Schwachpunkt. Erreicht das Druckmittel sein Ablaufdatum oder verliert seine Wirkung, endet ihre Gewaltherrschaft. Entgegen einer Führungskompetenz, die in der Persönlichkeitsstärke verwurzelt ist und aus sich heraus gedeihen kann, muss die Existenz von Dominanz über Opfer subventioniert werden. Wie ein Parasit befällt es einen Wirt.
Mobbing als eine Form der Dominanz

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Dominanz hat viele Gesichter und Mobbing ist eines davon. Um gegen Mobbing Maßnahmen zu ergreifen, muss man dieses fürs Erste erkennen. Bei extremen Formen, wie dem Rufmord oder Beleidigungen, wird es in der Regel schneller entdeckt. Einige Formen sind allerdings so tückisch, dass sie als solche zunächst nicht erkennbar sind. Wie können Sie dem aber trotzdem auf die Schliche kommen?
Den Grundstein für Mobbing legt psychische Gewalt, die gegen einen Einzelnen gerichtet wird. Dabei kann sowohl eine Gruppe als auch ein Einzelner der Täter sein (in unserer Rubrik „Lebenswissen“ können Sie hierzu noch weitgreifende und hilfreiche Informationen erhalten). Sie werden feststellen, dass psychische Gewalt vielfältig ist und subtil erfolgen kann. Genau diese subtile Vorgehensweise der Täter macht es schwierig, sie als solche zu entlarven.
Späte Erkenntnis
Betroffene, die guten Willens sind, bemerken oft erst viel später, dass sie gemobbt wurden, nämlich dann, wenn die Aggression einer ganzen Gruppe gegen sie offenbar wird. Alle Ausprägungen in Gänze zu erfassen ist kaum möglich, da der kranke Geist der Täter erfinderisch ist. Gerne möchte ich zwei Formen von Mobbing beleuchten, die aus meiner Sicht, trotz ihrer Präsenz im Alltag, nicht genug Beachtung finden. Grundsätzliche Informationen zum Mobbing finden Sie im verlinkten Artikel „Mobbing“.
Staffing- Mobbing von unten
Ob wegen der vermeintlich stärkeren/übergeordnet Position, einem übermäßigen Verantwortungsgefühl und/oder dem eigenen Ego, bemerken Führungskräfte manchmal nicht oder zu spät, dass sie durch die eigene Mannschaft oder Einzelne ihnen untergeordnete Personen gemobbt werden („Staffing“). Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Erkenntnis, man wird aus den eigenen Reihen „in den Fokus genommen“, sehr schmerzvoll sein kann.

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Toleranz ist Duldung
Statt sich zu wehren, entscheiden sich viele Führungskräfte dafür, die Schikanen über sich ergehen zu lassen oder versuchen zu beschwichtigen. Doch dies verschlimmert die Situation nur, da die Täter sich in ihrer Vormachtstellung bestätigt fühlen. Unterstützt wird dies oft über die fehlende Aufklärung, Sensibilisierung und Einsicht in Unternehmen. Auch der übermäßige Toleranzzwang schnürt vielen Führungskräften ihren Handlungsspielraum ein. Der vermeintlich Schwächere wird entschlossen verteidigt, auch wenn dieser längst zum emotional gewalttätigen Täter geworden ist.
Mobbing von unten
Ein Beispiel für „Mobbing von unten“ wäre, wenn die Belegschaft Ihre Kompetenz systematisch untergräbt. Hierzu gehört unter anderem eine dominante Übersteuerung Ihres Redebeitrags mit nicht zielführenden Fragen. Hier geht es nicht länger um Ihre Inhalte, es geht um die Egobefriedigung des „Friedensstörers“ zwecks Selbstdarstellung. Die Gesprächsführung soll auf eine subtile Weise den Besitzer wechseln. Erkennen Sie das Spiel nicht (Führen durch Fragen) und steigen darauf ein, finden Sie sich schnell in der rechtfertigenden Rolle. Sie werden nicht gefragt, Sie werden hinterfragt! Ähnlich verhält es sich, wenn Ihnen jemand ständig ins Wort fällt. Auch wenn solche Situationen bei manchen bedauerlicherweise den Alltag prägen, weniger verletzend werden sie dadurch nicht.
Passive Aggressivität- getarnte Gewalt
Als ich erstmalig von passiver Aggressivität hörte, fühlte es sich für mich zunächst wie ein Widerspruch an. Unter Aggressivität verstand ich eine offen beziehungsweise aktiv ausgelebte Form der Dominanz. Doch desto mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr öffneten sich mir die Augen. Endlich konnte ich einzelne Situationen, die mich vorher irritierten, richtig einordnen. Mittlerweile merke ich, wie verbreitet dieses Phänomen ist und dass es ein Teil des Mobbings sein kann.
Beispiele für passive Aggressivität
Bei passiver Aggressivität wird die psychische Gewalt beispielsweise über das Verweigern einer Handlung ausgeübt, wo diese erforderlich wäre. Ein offener Konflikt, der zur Lösung beitragen würde, wird verhindert. Die Feindseligkeit und eine Verletzungs- oder Schadensabsicht bleiben allerdings erhalten. Wer im Unternehmen Leistungen vorenthält, sabotiert nicht nur die Führungskraft, er sabotiert den Unternehmenserfolg und somit auch seine Arbeitskollegen. Arbeitsverweigerung in all ihren Facetten ist kein Kavalierdelikts, es ist ein Kündigungsgrund und stellt eine Form der passiv aggressiven Gewalt da.
Provokationsversuche
Überlegen Sie, wie es Ihnen damit geht, wenn …
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Ihre Anfragen nicht beantwortet werden und Sie in Verzug geraten;
- Absprachen nicht eingehalten werden;
- Ihre Anrufe ins Leere laufen;
- eine für Ihre Arbeit notwendige Entscheidung nicht getroffen wird;
- sich ein Prozess in die Länge zieht um dann gänzlich zu versickern;
- wenn bei Problemen um Lösungen lediglich herumgetänzelt wird;
- wenn Sie jemand ohne erkennbaren Grund mit einem Kontakt- respektive Kommunikationsentzug straft.
Absicht oder Versehen?
Auch wenn an dieser Stelle die Aggression nicht offen ausgetragen wird, so fühlen wir uns doch angegriffen. Übrigens, auch wenn jemand wiederholt an Ihnen vorbei spricht oder handelt und die nötige Leistung verweigert, macht er dies nicht unbewusst oder versehentlich, Sie können sich sicher sein, es ist eine absichtliche und gewollte Provokation.
Täter-Opfer-Umkehr durch die Passivaggressiven
Kennen Sie diesen Frust und das Ohnmachtsgefühl? Wie zermürbend es sein kann?
Der Passivaggressive will Sie an Ihre Grenze bringen, bis Sie sich anfangen zu schützen, um dann auf Sie mit dem Finger zu zeigen und Sie als den Despoten darzustellen. „Hab‘ ich dich du Schweinehund“ nennt man dieses Spiel. In diese Riege gehört auch das so genannte Gaslighting: eine verwirrende Kommunikationsform, die aus Lügen und Tatsachenverdrehung besteht, um Sie zum Täter zu machen. Es findet eine Opfer-Täter-Umkehr statt.
Zur weiteren Form der passiven Aggressivität gehört es auch, wenn zwischen Gesagtem und dem was Sie wahrnehmen Welten liegen und sich diese Differenz schwierig greifen oder erklären lässt. Hier läuft die Sachebene der wahrgenommenen, emotionalen Ebene komplett entgegen, Sie reagieren mit kognitiver Dissonanz. Die entstandene Verwirrung nutzt der Täter, um seinen Missbrauch zu vertuschen und Ihnen vorzuwerfen, Sie würden es falsch verstehen oder dem anderen etwas unterstellen.
Folgen der passiven Aggressivität
Statt den Täter als solchen zu stellen, kann es mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu kommen, dass Sie die an Ihnen begangene psychische Gewalt mit Selbstzweifel oder Schuldgefühlen beantworten. Dies sehe ich in der Praxis leider sehr oft.

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Schikaniert Sie zum Beispiel jemand, bis Sie mit einer gesunden Abgrenzungswut reagieren und sich vor dem Übergriff schützen, wird Ihnen schnell vorgeworfen, Sie seien unsachlich, hysterisch oder gar gefährlich. Doch um die Sachebene geht es hier nicht und die Gefahr geht vom anderen aus.
Das arme Ich folgt der Provokation
Der Passivaggressive wird in der Regel seine Rolle gut kennen und zum richtigen Zeitpunkt das in die Flucht geschlagene Opfer spielen. Ihr Unrechtsbewusstsein lehnt sich gegen die aufgezwungene Täter-Rolle und die paradoxe Realitätsverdrehung auf, Sie reagieren mit Verwirrung.
Bitte lassen Sie sich nicht in die Irre leiten, bleiben Sie sich treu. Erkennen Sie den Wolf im Schafspelz! Das vermeintliche Opfer ist der eigentliche Täter und er ist nicht an einer Lösung interessiert. Rücken Sie die Situation in Ihrem Kopf zurecht: Sie schlagen keinen in die Flucht, Sie wurden stehengelassen! Sie wurden nicht falsch verstanden, Sie werden sabotiert. Erst wenn Sie die Sachlage richtig erfassen, können Sie entsprechend angebracht reagieren.
Mögliches Vorgehen bei Dominanz
Desto länger ein Zustand anhält, desto schwieriger wird es in der Regel, diesen zu erkennen und auszusteigen. Die eigene Verstrickung verhindert meist einen klaren Blick für Lösungen, weshalb sich viele Unterstützung von außen holen. Ein Coach, der nicht Teil des Problems ist, kann neue Perspektive aufzeigen.

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Zusätzlich kann ein hohes Pflichtbewusstsein vieler Führungskräfte sie daran hindern, sich als Opfer psychischer Gewalt zu erkennen. Trotz alledem kann jeder an seiner Selbstwirksamkeit arbeiten, um den ersten Schritt zur Lösung zu machen. Für denjenigen, die an einer inneren Arbeit interessiert sind, werde ich im zweiten Teil einige Impulse geben, wie sie mit der Situation umgehen könnten.
Bleiben Sie dran 🙂
5 Comments
Ein äußerst informativer Beitrag. Kommt wie „gerufen“. 😊
Vielen Dank hierfür 🙏
[…] dem vorangegangenen Artikel zum Thema Führung und Dominanz ging es in erster Linie darum, die einzelnen Formen der Dominanz zu beleuchten. Wenn […]
Da spürt man das selbst Erlebte und die Erfahrung.
Sehr guter Artikel über eine ganz offensichtlich und ebenso verschwiegene Tatsache: dass die Mitarbeiter viel öfter Täter sind, als man annimmt. Erst die Provokation und wenn die Führungskraft reagiert herumjammern, dass sie oder er ja sooooo böse ist. Die Führungskräfte, die mir als „cholerisch“ beschrieben wurden, waren oft einfach am Ende mit den Nerven durch unerträglich toxischen Beziehungen, die von den Mitarbeitern ausgingen. Wenn jemand im Burnout landet, hat sie oder er meist so eine „Gewandhaus“ im Gepäck. 🙂 Toller Artikel.
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[…] Teil 1 des Beitrages finden Sie hier. […]