
Narzissten und die Zerstörung der Beuteperson
9. März 2025von Tina Wiegand
„Wenn ich sterbe, kommst du mit!“ Diese Aussage eines Mannes, der ein Leben lang gewöhnt war, dass seine Frau gehorchte, erlaubte keinen Widerspruch.
Wenige Tage nach seiner Beerdigung teilte mir seine Frau mit, dass es weder ihr, noch ihrem Sohn gut ging. Sie litten beide unter Symptomen.
Inhaltsverzeichnis
Bis dass der Tod uns scheidet
Menschen, denen der eigene Zugang zu ihren Lebensressourcen fehlt, binden ihre Partner oder auch ihre Kinder über manipulativen Methoden und Misshandlung, über den Tod hinaus, an sich. Sie lassen keinen Zweifel an ihrem Besitzanspruch an ihre Angehörigen. Die Angehörigen erleben Lösungsprozesse oft als gefährlich und verharren in einer unerträglichen Situation. Es bestürzt immer wieder, wie eng diese pathologischen Bindungen – auch über den Tod hinaus – funktionieren.
Nachzehrer
In einer Zeit vor unserer Zeit, die noch nicht so weit von der Weisheit fortgeschritten war und man die immaterielle Welt noch etwas ernster nahm, nannte man solche Menschen „Nachzehrer„. Sie zehren, bis über den Tod hinaus, die Lebensenergie ihrer Nächsten auf und halten sie wie eine Beute fest. Den Zusammenhang mit einem Nachzehrer sollte man daher in Betracht ziehen, wenn zum Beispiel kurz nach dem Tod eines toxischen Angehörigen eine Krebserkrankung ausbricht. Sind „Nachzehrer“ also böse Geister, vor denen wir nun wieder Angst haben sollten? Ich würde das gerne auf eine Ebene ziehen, die die Arbeit mit dem Unbewussten berücksichtigt und nicht im Aberglauben versinkt.
Den Verstorbenen folgen
Tatsächlich ist es gar nicht so selten, dass Menschen ihren Angehörigen in den Tod folgen. Was ich dabei sehr bestürzend finde ist, dass dies in den seltensten Fällen in liebevollen Beziehungen vorkommt. Liebe leidet, kann aber dennoch loslassen. Menschen jedoch, die in die Verstrickung mit Narzissten oder Psychopathen geraten sind, wurde der Wille gebrochen. Sie gehorchen und folgen denjenigen, die sie in Abhängigkeit, und mit denen sie eine toxische Beziehung geführt haben. Das erste, was in solchen Situationen erfolgen muss und was zu Lebzeiten nicht stattgefunden hat, ist ein energisches „NEIN!“ Für manche Menschen wirkt der entschiedene Satz: „weiche von mir!“ oder „Der Tod hat uns unwiderruflich geschieden!“
Innen oder Außen?
Sollten wir wieder an böse Geister glauben, gegen die wir nichts ausrichten können? Keineswegs. Aber wir sollten auf unbewusste Abhängigkeitsstrukturen achten und darauf, dass diese sorgfältig aufgelöst werden. Ob die Gefährdung nun durch Introjekte entsteht oder ob eine Bindung zwischen Jenseits und Diesseits stattfindet, ist im Grunde unerheblich. Ein Introjekt kann enormen Schaden anrichten und das ist eher im Innen zum suchen als im Außen. Und wie gesagt, es beginnt alles damit, dass jede Regung des Introjekts mit einem „Nein!“ beantwortet wird. Bewusstheit ist die halbe Miete.
Was ist ein Introjekt?
Bei der Auflösung einer narzisstisch-toxische Beziehung bleibt oft ein Introjekt in der Beuteperson zurück. Dieses Introjekt wirkt wie ein Virusprogramm, das den Willen der Narzissten weiterhin durchsetzt. Auch hier ist die Frage zulässig: entsteht diese unerwünschte Bindung durch telepathische Zusammenhänge im außen oder ist es eher ein Introjekt? Betroffene Opfer erleben, dass die NarzisstIn auftaucht, sobald etwas Gutes im Leben des Opfers ansteht. Beutepersonen versorgen und befriedigen ihre Narzissten durch ihr Unglück und ihren Schmerz. Oft kommen sie aus dem Strudel erst heraus, wenn sie das Introjekt unschädlich gemacht und den Virus gelöscht haben.
Missgunst auf die Lebenden
Menschen, die die Lebenden mitreißen wollen, wenn sie selbst gehen müssen, ertragen nicht, dass das Leben nicht mehr ihrer Kontrolle unterliegt. Deswegen gönnen sie den Hinterbliebenen ihr restliches Leben nicht. So, wie sie ihnen vorher die Lebenslust nicht gegönnt haben, agiert das Introjekt weiter und dreht den Zugang zu den Lebenskräften einfach zu. Es entstehen Symptome und ein tiefes Gefühl von Ausgeliefert sein. Wir können nun darüber streiten, ob es tatsächlich böse Geister sind, die das erzeugen oder ob es sich um psychologische Phänomene im Sinne eines psychogenen Todes handelt. Für mich spielt eine andere Frage eine größere Rolle:
Was ist zu tun?
Neben dem „Nein!“ kann eine erste Hilfe die sein, dass die Beuteperson in inneren Bildern zwischen sich und dem/der anderen die Gitterstäbe eines Gefängnisses einfügt. Aber es kann gut sein, dass das Problem tiefer geht und daher tiefer gegraben werden muss.
In meinem Buch „Ausstieg aus dem bösen Spiel“ habe ich bereits die intensive Selbsterforschung empfohlen. Im Fall einer toxischen Bindung, die wie eine böse Strafe wirkt, stellt sich die Frage danach: wofür werde ich so hart bestraft? Menschen können in ihrem Lebenskontext den unbewussten Wunsch mitbringen, ungesühnte Taten aufzudecken und die Familienlinie von den dunklen Aspekten der Vergangenheit zu befreien. Das bedeutet, es beginnt die Suche nach Psychopathen und Narzissten im eigenen Herkunftssystem. Oft ist die Suche kniffelig und es ist gut, wenn ein Therapeut detektivische Fähigkeiten mitbringt. 🙂
Heldenreisen in die Dunkelheit
Da diese Erkenntnisprozesse manchmal durchaus gruselig sein können, betrachtet man diese wie eine Heldenreise. Dunkle Taten, die nie aufgedeckt oder verschwiegen wurden, weil sie nicht ertragen werden konnten, kommen oft in nachfolgenden Generationen symbolisch ans Tageslicht. Außer dem narzisstischen Kontext können sich Schwerverbrechen, wie zum Beispiel unaufgeklärte Morde, totgeschwiegene Suizide, heimlich abgetriebene Kinder oder andere totgeschwiegene Kapitalverbrechen eine Rolle spielen. Sie äußern sich in Schicksalsschlägen und schweren Lebensereignissen. Um diese Lebensschläge zu verarbeiten hilft es, sich mit dem transgenerationalen Traumakontext zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit der Psyche kann heiter und leicht sein. Aber für diese Zusammenhänge ist die Voraussetzung für die Befreiung der Mut, sich der Dunkelheit in der Familien-Psyche zu stellen.
Beispiel – die Schuld des Großvaters
In der Arbeit mit einer Kriegsenkelin, die bereit war, sehr tief zu forschen, wurde im Laufe des Prozesses klar, dass ihr Großvater, der nach dem 2. Weltkrieg als antifaschistischer Moralapostel die ganze Familie auf rechthaberische, harte Weise dominierte, politische Morde begangen hatte. Diese Morde hatten schon vor dem 3. Reich, in der Weimarer Republik stattgefunden. Noch weiter vorher war sein älterer Bruder auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen und die Zusammenhänge ließen befürchten, dass der Großvater auch damit etwas zu tun hatte. Dieser Großvater, der schon lange tot war, hatte in ihrem bildhaften Inneren eine lebendige Bedeutung und war auf eine gewaltvolle Art und Weise immer präsent gewesen. In der Arbeit wurde plötzlich klar, dass die Klientin viele negativen Dinge und Verstrickungen im Leben erlitten hatte, weil sie für seine Taten gerade stand. Sie hatte die Schuld ihres Großvaters unbewusst übernommen und zahlte seine Zeche. Schon ihre Mutter war ihren Eltern durch eine schwere Krebserkrankung gefolgt und auch der jüngste Bruder des Großvaters war unter ungeklärten Umständen im Krankenhaus zum Tode gekommen. Es ist anzunehmen, dass all diese Familienmitglieder versuchten, diese große Schuld durch Selbstopfer abzubezahlen .
Das innere Tribunal
Die Klientin hatte in ihrem inneren Erleben ein Leben lang immer wieder ein inneres Tribunal erlebt, bei dem sie es nicht schaffte, ihre Unschuld zu beweisen und verurteilt wurde. Ähnliches erlebte sie auch im richtigen Leben. Tatsächlich hatte dieser Großvater sie auch im richtigen Leben für vieles gerade stehen lassen, was sie nicht zu verantworten hatte. Sie hatte stellvertretend für ihn vor einem inneren Tribunal gestanden. Nun gab sie ihm die Verantwortung, die er ihr aufgebürdet hatte zurück, ebenso die Schuld, an dem, was er verbrochen hatte und mutete ihm das Tribunal zu, das er selbst zu verantworten hatte. Wer Schuld ist, muss das System verlassen und so bestand sie darauf, dass er sie für immer verließ.
Die Opfer
In der folgenden Zeit erschien ihre Mutter , die ebenfalls schon lange tot war, in ihren inneren Bildern. Mit weit aufgerissenen Augen und entsetztem Gesicht, befreite sie sich zum ersten Mal von ihren Eltern, mit denen sie ein Leben lang völlig verbacken gewesen war. Daher hatte sie es nie geschafft, in ein gesundes Beziehungsgefüge mit ihrer Familie zu treten. Sie hatte ebenfalls keine Ahnung von den Taten ihres Vaters gehabt und die Klientin musste erkennen, dass diese systemischen Zusammenhänge wie ein Fluch gewesen waren, die das Leben und die Beziehungen ihrer ganzen Familie zerstört hatten.
Was in solchen Kontexten interessant ist: die Opfer solcher Täter sind mit den Nachkommen eher seelenverwandt, als die Täter. Insofern macht es Sinn, Kontakt mit den Opfern zu machen und sie um Freundlichkeit für das eigene Leben zu bitten. Der Bitte, die Schuld bei den wahren Tätern zu lassen und die Nachkommen nicht in Sippenhaft zu nehmen, wird in den meisten Fällen stattgegeben.
Zombies in der aktuellen Zeit
Wikipedia berichtet von Beerdigungen, in denen Menschen, deren Geist als gefährlich angesehen wurde, mit dem Gesicht nach unten ins Grab gelegt wurden. Solche Bräuche waren offensichtlich im Rheinland und der Eifel üblich.
Wie alle wissen, haben wir uns sehr mit dem Ahrtal beschäftigt. Wir alle wissen, dass sich in Bezug auf diese Vorkommnisse nach wie vor viele, viele Fragen ergeben. Ich kann es nicht anders beschreiben, als dass ich die Verantwortlichen, also zuständige Politiker, wie seelenlosen Zombies erlebt habe.
Was zum Teufel geht bis heute in diesen Menschen vor und kann es sein dass „Nachzehrer“ auch hier berücksichtigt werden müssten?
Mit dem Erlebten umgehen
Inzwischen finden wir Vorkommnisse wie im Ahrtal überall in Deutschland und Europa. Es ist, als wären die Regierungen der Welt irre geworden. Vielleicht müssen wir verstehen, dass die Schuld, die diese Regierende auf sich geladen haben, zu schwer ist, um sie zu tragen. Daher wird die Schuld Russland in die Schuhe geschoben und dort bekämpft. Dabei sind es die eigenen Leute, die sich wie Monster gegenüber der Bevölkerung benommen haben. Man könnte es tatsächlich glauben, wenn jemand käme der sagt: die sind von Dämonen besessen und von allen guten Geistern verlassen. Wenn wir wollen, dass die Nachkommen unbelastet neu anfangen können, werden wir viel Arbeit errichten müssen, um all das aufzuräumen, aufzulösen und dahin zu sortieren, wohin es gehört.
Entlastung finden
Anstatt in der Ohnmacht zu versinken – was zeitweise einfach passiert, weil alles zu viel wird – könnte Licht in die dunkle Gegenwart fallen, wenn wir anfangen unsere Vorfahren zu berücksichtigen und das Gewirr aus tatsächlicher Schuld und Schuldzuweisungen zu entwirren. Man immer wieder Zusammenhänge finden, die die Gegenwart erhellen und die Seele entlasten können. Insofern hoffe ich, dass alle düsteren Erlebnisse, die wir gerade bewältigen müssen, letztlich in Erkenntnis übergehen und wir verstehen, was wir für die Zeiten des Luftelements verstehen müssen: Die Macht des Immateriellen.
Bitte schreiben Sie mir gerne in die Kommentare, welche Erfahrungen Sie mit solchen Themen haben.